Im Ring zählt der Mensch

Bei uns beginnt alles mit dem Ring. Vier Seile, eine Fläche, ein klarer Rahmen. Was draußen oft trennt, verliert hier sein Gewicht. Im Ring geht es nicht darum, jemanden „wegzumachen“. Es geht darum, sich zu zeigen: mit Haltung, mit Disziplin, mit Respekt. Wir sind SparringPartnerForYou e. V. aus der Dortmunder Nordstadt. Unser Zuhause ist der Kampfsport – Muay Thai, K1, Kickboxen, Boxen und Pointfighting. Unser Herz ist der Ring – und alles, was darin passiert. Wer ihn betritt, bringt sich mit: die gute und die schwere Seite. Und bekommt etwas zurück, das man nicht kaufen kann: Zugehörigkeit.
Der Ring ist für uns kein Ort der Härte, sondern der Klarheit. Er nimmt Ausreden und schenkt Fokus. Er sagt: Du bist heute hier, also sei hier. Wir glauben daran, dass man nur stark wird, wenn man sich selbst ernst nimmt – und den Menschen gegenüber genauso. Darum beginnt jede Einheit mit Blickkontakt. Handschuhe an, Schultern lösen, Atmung finden. Technik wächst, wenn Vertrauen da ist. Vertrauen wächst, wenn Regeln tragen. Und Regeln tragen, wenn sie für alle gelten: für Anfänger:innen und Fortgeschrittene, für junge Talente und späte Einsteiger:innen, für Menschen mit und ohne Behinderung. Bei uns gibt es keine Extra-Schublade für Inklusion. Inklusion ist unser Standard. Oder wie Pourya es sagt: „Inklusion ist unser stärkster Schlag im Kampfsport.“
An der Seilkante steht Pourya Solizadeh. Er ist Vorstand, Cheftrainer und mehrfacher Deutscher Meister und Weltmeister sowie Nationalkadermitglied der deutschen Nationalmannschaft im Muay Thai und K1 – Titel, die Türen öffnen, aber niemanden einschüchtern sollen. Pourya nutzt seine Erfolge bescheiden als Werkzeug, nicht als Podest. Sein Unterricht folgt einem klaren Prinzip: Präzision vor Tempo, Kontrolle vor Kraft, Verantwortung vor Ego und das höchste Gebot für ihn ist: Gegenseitiger Respekt! Die Stärkeren tragen die Schwächeren und räumen ihnen den Weg frei, damit sie selbst gehen können. Wer keine Erfahrung hat, bekommt Struktur und Schutz. Wer viel Erfahrung hat, bekommt den Auftrag, Sicherheit und Disziplin mitzugestalten. So entsteht aus Technik Haltung – und aus Haltung Verlässlichkeit.
Damit all das nicht nur heute funktioniert, sondern morgen und übermorgen, managt Anahita Lotfi den Verein. Sie ist Juristin, Datenschutzbeauftragte und Inhaberin des Unternehmens LEXAL LAW \ CONSULTINGS und als herzensprojekt organisiert sie die gesamten Strukturen des Vereins. Sie ist Strategin, Brückenbauerin und die Person, die dafür sorgt, dass unsere Arbeit immer auf stabilem Boden steht. Sie plant und koordiniert, denkt mit Sicherheit, schafft klare Prozesse für Training und Events, hält Fäden zu Partner:innen und Institutionen. Führung heißt bei uns Fürsorge: Entscheidungen transparent machen, Wege eindeutig halten, Verantwortung teilen. Anahita sorgt dafür, dass der Ring nicht nur ein Bild ist, sondern eine Struktur, in der Menschen zuverlässig wachsen können.
Im Training zeigt sich unser Verständnis von Inklusion in jedem Detail. Es beginnt damit, wie wir eine Einheit öffnen: Wir holen alle hinein – körperlich, sprachlich, mental. Übungen werden so gebaut, dass sie auf verschiedenen Niveaus zugleich funktionieren. Wer heute eine technische Basis braucht, arbeitet an Balance, Fußarbeit, Deckung. Wer weiter ist, verfeinert Winkel, Timing, Distanz. Wer Unterstützung benötigt, bekommt sie. Wir übersetzen, wir wiederholen, wir geben Ruhe, wenn es zu viel wird, und Impuls, wenn es stockt. Das Ziel ist nie, „den perfekten Schlag“ zu produzieren. Das Ziel ist, Menschen in eine Form zu bringen, in der sie sich selbst vertrauen – auch dann, wenn es anstrengend wird.
Ja, wir lieben den Wettkampf. Wir bereiten Athlet:innen auf Turniere vor, wir feiern Titel und wir akzeptieren Niederlagen ohne Ausreden. Aber wir messen Erfolg breiter als Medaillen. Erfolg ist, wenn jemand zum ersten Mal ohne Angst in den Ring steigt und danach gerade steht. Erfolg ist, wenn jemand nach einer harten Runde fair nickt und sagt: „Danke, du hast mich heute besser gemacht.“ Erfolg ist, wenn Eltern berichten, dass ihr Kind Grenzen besser spürt, ruhiger schläft, in der Schule konzentrierter ist. Der Ring wird dann zum Spiegel, der mehr zeigt als Technik. Er zeigt Charakterarbeit.
Sicherheit ist in all dem nicht verhandelbar. Sparring gibt es bei uns nur mit Einverständnis, klaren Absprachen und der Fähigkeit, jederzeit die eigene Intensität zu regulieren. Warm-ups sind strukturiert, Cool-downs bewusst gesetzt, Belastungen werden beobachtet. Wir korrigieren früh, klar und respektvoll. Kein Ego steht über den Regeln. Wer das vergisst, lernt zuerst Haltung – erst dann wieder Haken und Kicks.
Was viele überrascht: Die Atmosphäre im Ring ist leiser, als man denkt. Da ist kein Spektakel. Da ist Arbeit. Man hört das Atmen, das Rutschen der Schuhe, das Tippen der Handschuhe. Man sieht kurze Blicke, die Sicherheit geben: Ich bin bei dir, auch wenn ich gegen dich trainiere. Genau darin liegt die Kraft des Kampfsports, wie wir ihn leben. Nicht im Krach, sondern in der Konzentration. Nicht im Alleingang, sondern im Miteinander. Nicht im „Ich gewinne“, sondern im „Wir wachsen“.
„Inklusion ist unser stärkster Schlag im Kampfsport“ – wir wiederholen es, weil es die Mitte unserer Arbeit trifft. Inklusion ist für uns kein Projekt, das irgendwann endet. Sie ist eine tägliche Praxis, die beginnt, sobald jemand die Halle betritt. Jemand, der heute leise ankommt, soll morgen lauter atmen dürfen. Jemand, der heute Halt sucht, soll morgen Halt geben können. Jemand, der heute stolpert, soll übermorgen anderen beim Aufstehen helfen. So wird aus einem Verein eine Gemeinschaft – und aus einem Ring ein Stück Zuhause.
Wenn das Licht am Ende der Einheit ausgeht, bleibt noch einen Moment das Echo des Timers im Raum. Dann hört man ein Lachen, ein kurzes „Bis morgen“, das leise Klicken der Schließfächer. Es ist nie spektakulär. Aber es ist verlässlich. Und Verlässlichkeit ist die Muskulatur jeder echten Veränderung.
Deshalb sagen wir: Im Ring zählt der Mensch. Heute. Morgen. Und an all den Tagen dazwischen.